Grundlagen

Wo fängt man am Besten an, wenn man keine Ahnung von der Instandsetzung von Modellbahn-Lokomotiven hat? Sehen wir uns zunächst an, wie eine typische ROCO-Lokomotive aus den 70er/80er-Jahren aufgebaut ist.

Aufbau einer Modellbahn-Lokomotive

Eine gute erste Referenz sind Kataloge, welche in einigen älteren Jahrgängen ganz gut zeigen, woraus eine Lokomotive grundlegend aufgebaut ist [1].

Die grundlegenden Teile sind: Das Gehäuse mit den Führerständen, diverse Gewichte für die Erhöhung der Traktion, der Motor, Getriebe, diverse Kupplungselemente, sowie die Achsen und Räder, welche oft auf Drehgestellen montiert sind. Bei Lokomotiven mit Lichtwechsel findet man typischerweise auch Platinen mit Lämpchen in allen möglichen Ausführungen sowie Lichtleit-Elemente, um das Licht von Lampen in die Scheinwerfer oder in den Führerstand zu leiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Elektrolokomotiven haben typischerweise filigrane Stromabnehmer auf dem Dach, welche dafür gebaut sind, die Lokomotive wahlweise im Oberleitungsbetrieb mit Strom zu versorgen. Dampflokomotiven mit Schlepptender haben oft den Motor im Tender.. die Räder sind zusätzlich mit Spurstangen verbunden, welche das Zerlegen der Lokomotive oft erheblich erschweren.

Probiert einfach mal selbst, eine Lokomotive zu zerlegen! Am besten eine preiswerte Bastler-Lokomotive, wo nicht viel schiefgehen kann. Die Teile sind meist leicht erkennbar und mit Clip-Verbindungen oder Schlitzschrauben miteinander verbunden welche es relativ einfach machen die Baugruppen auseinanderzunehmen.

Werkzeuge und Ausrüstung

Zur Grundausrüstung einer Lokomotivwerkstatt gehören zunächst einmal ein stabiler Tisch und eine bequeme Sitzgelegenheit mit ausreichend Licht. Die wichtigsten Werkzeuge sollten griffbereit sein und idealerweise staubfrei, zB in Schubladen, gelagert werden können.

Zur Dokumentation von Reparatur und Konfigurationen hat man am Besten immer eine Kamera (zB am Smartphone) bereitliegend.

Handwerkzeuge, die man eigentlich immer braucht, gibt es in jedem Baumarkt zu kaufen. Generell gilt: Wer spart, kauft oft doppelt.. daher sollte man auf ein Mindestmass Qualität achten:

- Schraubendreher in allen Ausführungen, insbesondere kleine und sehr kleine Kreuz- und Schlitzvarianten

- Kleine Zangen und Pinzetten, auch mit gebogenen und flachen Spitzen

- Kleiner und mittelgrosser Hammer (am besten aus Kunststoff)

- Kleine Schere und Mikro-Seitenschneider

- Kreppband zum schonenden Abkleben von Teilbereichen, sowie Isolierband (am besten Kapton) und leitendes Aluminium- oder Kupferband

- Unterlegteile aus Schaumstoff oder Styropor - idealerweise 1-2 Lokliegen

- Zum Messen von Schrauben, Räder-Durchmessern, etc. (zB um die Masse für passende Haftreifen zu evaluieren) bieten sich Mess-Schieber ("Schiebelehre") und Lineal an.

- Bei der Instandsetzung insbesondere von Dampflokomotiven werden manchmal auch Mikro-Schraubenschlüssel (SW1 bis SW4) benötigt, die man im Modellbau-Fachhandel kaufen kann.

Für die Handhabung der Gehäuse hochwertiger Lokomotiven und Waggons bieten sich preiswerte Stoffhandschuhe an.

Reinigung

Zur Reinigung von Lokomotiv-Elementen verwendet man unterschiedliche Mittel, je nach Material und Grösse der Komponenten. Prinzipiell wird unterschieden zwischen Plastikteilen, Metallteilen, und Elektronik. Hersteller verwenden zudem allerlei Arten von Lacken, Farben, und Aufdrucken. Als Grundregel sollte man immer zunächst versuchen, mit einem Verfahren zum Ziel zu kommen, das so schonend wie möglich zum Material ist.

Viele Modellbauer schwören auf ihre eigene Strategie der Reinigung - und vieles muss man sich auch mal erst leisten können (sowohl finanziell als auch vom Platz her). Hier nun eine kurze Auswahl von Reinigungsmitteln und Utensilien, je nach Situation:

- Metallteile bekommt man üblicherweise sehr gut mit Waschbenzin und Wattestäbchen sauber, alternativ mit Isopropanol. Laufspuren an Achsen lassen sich ebenfalls sehr gut mit Waschbenzin entfernen. Metallbürsten, Schleifpapier oder ähnliches (zB als Dremel-Aufsatz) sind generell als weniger schonend einzustufen und sollten nur zum Einsatz kommen, wenn sich der Schmutz nicht anders lösen lässt. Einlegen von Metallteilen in Cola (für mehr als 24h) entfernt Flugrost.. Kleinteile bekommt man auch sehr gut mit Ultraschall-Reinigungsgeräten gesäubert.

- Kunststoffteile bekommt man oft ganz gut mit einem Radiergummi oder Wasser sauber. Bei hartnäckigeren Flecken kann man auch Wasser mit Spülmittel oder Seife verwenden, am besten mit einer weichen Zahnbürste oder Wattestäbchen. Alle anderen Reinigungs-Verfahren (zB Alkohol) sind sehr riskant! Weichmacher könnten austreten oder der Lack/Farbschichten beschädigt werden - daher immer vorher testen, falls möglich! Entstaubung mit weichen Pinseln, gegebenenfalls mit Wasser.

- Elektronikteile und Platinen sollte man generell nie reinigen, sondern nur schonend entstauben, zB mit einem Pinsel.

Wartung

Oft muss man die zu wartenden Komponenten erst zugänglich machen. Dazu gibt es unterschiedliche Ansätze: Viele Hersteller setzen auf Verschraubungen, einige jedoch auch auf Plastik-Clips. Ohne Anleitung kann es oft eine Herausforderung sein, die Clips zu finden und zu öffnen, ohne sie abzubrechen. Kleine Schraubenzieher und auch spitz zulaufende Zahnstocher (als schonendere Variante) haben sich in diesem Fall bewährt, falls man die Clips mit dem Fingernagel alleine nicht öffnen kann.

Zur Wartung von Lokomotiven kommen unterschiedliche Fluide zum Einsatz welche je nach Anwendungszweck im Drogeriemarkt oder auch im Modellbau-Fachgeschäft gekauft werden können.

- Zur Verklebung von Plastikteilen bietet sich ein Plastikkleber mit sehr feiner Kanüle an, den man im Modellfachhandel kaufen kann. Ebenfalls hilfreich für Verklebungen sind diverse Arten von Klammern.

- Zum Ölen von Achsen und Lagern verwendet man Spezial-Schmieröl (Modellfachhandel)

- Zur Schmierung von Getrieben (insbesondere mit ROCO-Plastikzahnrädern) bietet ROCO Spezial-Schmierfett an

- Zum Korrosionsschutz von blanken Metallteilen bietet sich Ballistol Universalöl an, das einen dünnen Film über die Teile legt.

- Sehr beliebt bei Modellbauern ist SR24 Modellbauöl zur Reinigung und Entfettung zB von Zahnrädern und anderen Getriebeteilen.

Wer es sich leisten möchte, kann sich einen Ultraschallreiniger zulegen, um das Reinigen von Kleinteilen etwas effektiver und zeitsparender zu gestalten.

Instandhaltung und Reparatur

Je nach Art der Instandhaltung und Reparatur gibt es eine schier unendliche Schar an Zusatzwerkzeugen, die man sich beschaffen kann - angefangen von Airbrush-Systemen, Farben und Modelliermasse über Elektronik-Geräte und Test-Equipment bis hin zu 3D-Druckern, Mikro-Bohrern oder Drehmaschinen. Diese wird man für den Start jedoch kaum benötigen falls man sich nicht auf optische Instandhaltung oder Alterung spezialisieren möchte.

Falls man eine Lokomotive jedoch technisch wieder instandsetzen möchte kommt man um das Thema Elektronik und elektrische Bauteile nicht herum. Neben dem ensprechenden Basiswissen sind zusätzlich auch einige Werkzeuge nötig, um solche Bauteile zu testen oder zu ersetzen.

- Eines der wichtigsten Werkzeuge ist der Lötkolben, mit dem man elektrisch leitende Kabel-Verbindungen lösen und wieder verbinden kann. Auch hier gibt es viele, unterschiedliche Modelle und Ausführungen, auf die Modellbauer schwören. Generell gilt auch hier: Wer billig kauft, kauft oft doppelt. Dies macht sich spätestens dann bemerkbar, wenn es keine passenden Ersatzspitzen mehr gibt oder der Lötkolben nach wenigen Einsätzen den Geist aufgibt. Daher falls möglich immer einen renommierten Hersteller (Weller, Ersa) wählen und sich Stress ersparen. Zusätzlich sollte man noch auf eine passende Unterlage achten (feuerfest, falls möglich antistatisch) und gegebenenfalls in eine gute Lupe (idealerweise mit LED-Beleuchgung) und eine "Dritte Hand" investieren.

- Ebenfalls für elekrische und elektronische Bauteile empfiehlt sich ein Multimeter, mit dem man Strom-, Spannungs- und Widerstandsmessungen durchführen kann. Brauchbare Geräte gibt es schon relativ günstig - hier ist zu beachten, dass man zusätzlich zum Multimeter selbst üblicherweise auch gute und feine Klemmen und Mess-Sonden benötigt, um Teile oder Bereiche sicher anzusteuern.

- Um gewisse Strom- und Spannungsstärken zu simulieren kann man sich auch die Anschaffung eines Labornetzteils überlegen. Für analoge ROCO-Lokomotiven sollte dieses Netzteil zumindest Gleichstrom bis ca. 20V simulieren können. Üblicherweise können dabei die selben Klemmen und Sonden wie beim Multimeter verwendet werden. Ein Labornetzteil ist nichts anderes als ein Trafo mit mehr Einstellmöglichkeiten

- Ein sehr vielseitiges Werkzeug zur feinen Bearbeitung von Modellteilen ist der Feinbohrschleifer mit welchem man mit sehr hoher Drehzahl kleine Schleif-, Bohr-, Fräs- oder Polierarbeiten durchführen kann: Zu den beliebtesten Herstellern gehören Dremel und Proxxon. Für gängige Systeme wird (auch von Drittanbietern) sehr viel Zubehör angeboten.

Ersatzteile

Einer der Gründe, warum es eine gute Idee sein kann, mit der Instandsetzung von ROCO-Lokomotiven aus den 70er und 80er-Jahren zu beginnen und nicht mit Lokomotiven anderer Hersteller ist die Verfügbarkeit von Ersatzteilen.

In den 70er-Jahren war es noch nicht ROCO's Stärke, konkrete Ersatzteile im Katalog benutzerfreundlich auszuweisen - die Auswahl an bestellbaren Ersatzteilen war zudem auch noch ziemlich beschränkt, was direkte Instandsetzung etwas erschwerte. Ab dem Jahr 1980 konnte man jedoch zumindest einige wichtige Ersatzteil-Nummern für Komponenten wie Haftreifen oder Lämpchen neben den Modellnummern im Katalog vorfinden [2].

Ab dem Jahr 1987 dann bekamen diese Referenzen neue Nummer zugeordnet unter denen man die Ersatzteile grossteils heute noch findet - obwohl viele davon werkseitig leider nicht mehr lieferbar sind  [3] [4].

Um solche älteren Ersatzteile dann überhaupt noch zu finden gibt es verschiedene Strategien: Falls man Glück hat, gibt es noch Restbestände bei Händlern oder online-Auktionen zu finden. Eine weitere Strategie ist es, Bastlerloks zu kaufen und deren verbaute Teile als Ersatzteile für baugleiche Lokomotiven in besserem Zustand zu verwenden.

Auch Drittanbieter haben sich teils darauf spezialisiert, Original-Ersatzteile für gewisse Modelle, Modellgruppen oder Marken selbst herzustellen und oft deutlich günstiger als das Original anzubieten. Eines dieser Beispiele ist die tschechische Firma KaModel, welche Haftreifen in vielen erdenklichen Grössen für gängige Modelle aller Massstäbe anbietet [5]. Sehr praktisch sind dabei auch die vielen Tabellen von gängigen Katalog-Modellnummern der wichtigsten Hersteller, welche es erlauben, Haftreifen-Produkte von KaModel direkt zu Artikelnummern von Lokomotiven zuzuordnen. Falls die Artikelnummer nicht auf der website referenziert ist, kann man die passende Haftreifengröße auch laut Anleitung selbst ableiten:

Kann man Ersatzteile auch selbst herstellen? Die Antwort darauf ist ein klares Jein! Zunächst kommt es einmal darauf an, um welche Ersatzteile es sich handelt: Eine Komplett-Steuerung einer Dampflokomotive lässt sich natürlich schwerer herstellen als ein Ersatzpuffer.. und dann kommt es natürlich auch darauf an, welche Ansprüche man an das Ersatzteil hat und welche Möglichkeiten einem zur Verfügung stehen, um Teile zu fertigen.

Manche Modellbauer haben es sich gar zur Aufgabe gemacht, Ersatzteile für spezielle Artikel selbst herzustellen. Diese sind oft sogar hochwertiger oder durabler als jene, welche vom Original abstammen - beispielsweise wenn mechaniisch beanspruchte Plastikteile aus Metall nachgefertigt werden, oder wenn Liebhaber bestimmte Zierteile von Dampflokomotiven aus Messing nachbauen wollen (und können). Es gibt allerlei Werkzeuge und Maschinen, welche speziell für den Modellbau angeboten werden - beispielsweise Fräsen, Drehbänke oder Bohrmaschinen der Firma EMCO oder PROXXON. Für solche Maschinen benötigt man jedoch neben etwas Erfahrung auch Platz und etwas Geld.

Eines der vielseitigsten Werkzeuge für die Anfertigung von Ersatzteilen, vor allem aus Plastik-Materialien, ist der 3D-Drucker. Günstige Einsteigermodelle gibt es bereits im niedrigen dreistelligen Euro-Bereich - jedoch gilt auch hier: Wer zu billig kauft, kauft doppelt. Mit etwas Fingerspitzengefühl, Möglichkeiten zur Nachbearbeitung und vernünftiger 3D-Design-Software, welche manchmal auch gleich mit dem Drucker mitgeliefert wird, lassen sich einfache Plastikteile relativ unkompliziert herstellen.

Als Beispiel sei hier etwa die manuelle Bedienkurbel eines alten ROCO-Krans gezeigt - im Prinzip eine Rändelschraube mit Vierkantprofil: Diese wurde (nach Verlust der Originalkurbel) von einem baugleichen Modell mit einem einfachen Mess-Schieber vermessen, in 3D nachmodelliert, ausgedruckt und etwas nachbearbeitet - und schon hat man wieder ein funktionales Ersatzteil.

Ankauf und Verkauf

Ein grosser Vorteil von ROCO-Lokomotiven aus den 70er und 80er-Jahren ist der unglaublich niedrige Preis. Funktionierende Gebrauchtware bekommt man zB auf ebay schon für unter 30 Euro. Der Hauptgrund dafür ist, dass es heutzutage kaum noch neuwertige, analoge Anlagen gibt - der Grossteil ist digitalisiert. Gepaart mit ebay und anderen Internet-Verkaufsbörsen führte das in den letzten Jahrzehnten zu einem ungeheuren Preissturz von Modelleisenbahnen generell, und von technisch älteren Modellen im Speziellen.

Machen Sie sich also keine allzu grossen Hoffnungen, dass ihr Hobby zu lukrativ sein könnte und dass man mit Instandhaltung von Lokomotiven unglaublich viel Geld verdienen kann - aber profit-orientiert müssen Hobbies per Definition ja auch nicht sein :)

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