Projekt 2024-04112A
Roco 04112A - BR 58
Dieses Projekt wurde im Mai 2024 bearbeitet.
Stichworte: Stromübertragung verbessern, Kupplungskabel löten, Haftreifentausch, Wartung des Getriebes
Ankauf
Für dieses Projekt wurde eine Bastlerlokomotive auf kleinanzeigen.de erworben:




Laut Beschreibung funktioniert das Licht, aber der Motor läuft nicht.. klingt wie eine schöne Herausforderung! Doch um welche Lokomotive handelt es sich eigentlich?
Die Lok wurde vom Anbieter als BR 52 525 verkauft. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine BR 58 aus den 70er-Jahren - und zwar um das Modell 04112A [1].. eine sehr schöne Lokomotive, welche sogar zum "Modell des Jahres 1977" gekürt wurde:

Nun müssen wir also nach Erhalt der Lokomotive nur noch herausfinden, warum der Motor nicht läuft. Motorschäden sind, auch bei älteren Modellen, eigentlich sehr selten. Vielleicht gibt es also doch eine andere Ursache?
Diagnose
Ein erster Blick auf die Lokomotive zeigt, dass sie sich in einem sehr guten Zustand befindet - optisch ist sie also top, man konnte weder Abbrüche noch optische Mängel erkennen.. lediglich die Warn-Aufkleber waren etwas abgewetzt, und am Dach hatte sich etwas Staub angesammelt - typisch für ein Vitrinenmodell.
Nun zur technischen Überprüfung: Wenn man die Lokomotive auf die Schienen setzt und den Trafo hochdreht, sieht man ganz deutlich: Die Lichter vorne an der Lok brennen - die Lok fährt jedoch nicht. Noch ein anderes interessantes Detail: Dreht man die Trafo-Richtung um, sollten eigentlich die Lichter hinten am Tender leuchten - tun sie aber nicht! Das deutet also darauf hin, dass nicht der Motor kaputt ist - sondern dass er, genauso wie die hinteren Lichter, nicht mit Strom versorgt wird.


Dazu sollte man wissen, dass bei diesem Modell die Stromabnahme von den Schienen im vorderen Teil erfolgt - über die Haupträder des Gestänges. Von dort wird der Strom einerseits zur vorderen Glühbirne weitergeleitet - andererseits zur stromführenden Kupplung zwischen Lokomotive und Tender. Der Strom wird dort dann über 2 Metallfedern übertragen, welche seitlich an der schwarzen Plastik-Kupplung anliegen. Dies wäre also typischerweise ein Nadelöhr, weswegen die Stromzufuhr unterbrochen sein könnte.
Die Federn auf der Seite der Lok scheinen in Ordnung zu sein - wenn man jedoch auf den Teil des Tenders schaut, merkt man, dass hier etwas nicht stimmen kann. Die eine Gegenfeder steht zwar heraus - die andere jedoch scheint im Tender verschwunden zu sein. Wahrscheinlich wurde sie verbogen und dann unachtsam in die Öffnung hineingeschoben und dadurch weiter verbogen.


Um die Vermutung zu bestätigen müssen wir also die Feder wieder aus dem Tender herausbekommen und zurückbiegen - dann werden wir wissen, ob das Problem dadurch behoben ist.
Reparatur und Instandsetzung
Zunächst wurde versucht, die Feder mit einem Zahnstocher wieder herauszubekommen.. jedoch ohne Erfolg - es führt also kein Weg daran vorbei, den Tender zu öffnen. Bei diesem Modell ist das relativ einfach - man entfernt 2 Schrauben und kann das Tender-Gehäuse danach nach oben hin abziehen, indem man die äusseren Wände etwas nach aussen drückt.
In der folgenden Aufnahme können wir auch ganz gut erkennen, dass die Haftreifen grünlich (und somit nicht original) sind und wohl ersetzt werden müssen da sie sich im Laufe der Zeit selbst zerlegt haben.


Im Tender sehen wir eine vertikal angeordnete Platine mit Diode, die direkt an den Motor angehängt ist und mit einer Stromabnahme-Feder direkt auf die Motorpole drückt. Ausserdem können wir verölte Fremdkörper im Getriebe sehen - höchstwahrscheinlich stammen die weisslichen Kugeln von der Styropor-Verpackung.
Diese Verunreinigungen befinden sich überall im Getriebe - können aber mit Zahnstochern und Wattestäbchen leicht entfernt werden.


Die Stromabnahme-Federn zwischen Tender und Lokomotive können durch die Abnahme des schwarzen Kupplungs-Deckels zugänglich gemacht werden, zB mit einem breiten Schraubendreher. Hier sehen wir schon sehr gut, dass sich eine Feder durch Druck von aussen hineingebogen hat - normalerweise sollten die beiden Federn symmetrisch sein.


Die Federn werden also zurechtgebogen, damit Sie wieder mehr oder weniger symmetrisch aussehen, und bei Gelegenheit gleich etwas gereinigt und abgeschliffen. Zum Abschleifen verwendet man am Besten einen Glasfaserstift. Nun sollte einem erfolgreichen Test nichts mehr im Wege stehen - das Tender-Gehäuse wird also wieder aufgesetzt und die Kupplung verbunden.


Leider lief der Test nicht wie geplant - der Stromfluss war nämlich immer noch grossteils unterbrochen. Es konnte jedoch beobachtet werden, dass der Motor sowie das Tender-Licht liefen, wenn man den Tender in bestimmtem Winkel gegen die Lok hielt - sich aber dann wieder ausschaltete.. es muss also noch ein anderes Problem geben. Um diesem auf die Spur zu kommen, müssen wir nun auch das Lok-Gehäuse zerlegen. Das ist oft nicht trivial - man muss also wissen, wie es geht.
Hier hilft uns aufgrund mangelnden Papieren Gott sei Dank das Internet mit einer Bedienungsanleitung eines vergleichbaren Modells [2]. Oft basieren weiterführende Modelle der selben Baureihe und des selben Herstellers auf den selben Prinzipien, zB die Gehäusefixierung.. Manchmal sind sogar die Ersatzteile austauschbar. Wir können also erkennen, dass man zur Gehäuseabnahme zuerst die zentrale Schraube lösen müssen und dann die Rastnasen lösen können, indem wir das Gehäuse schräg nach hinten drücken.

Die Anleitung stimmt perfekt - das Gehäuse lässt sich tatsächlich abnehmen! Ein kurzer Blick auf den Zustand der stromführenden Kupplung zeigt uns dann zugleich ein weiteres Problem, welches höchstwahrscheinlich zur fortwährenden Unterbrechung des Stromkreises zum Tender führt: Das lose Kabel neben der Kupplung sollte nämlich auf der Stromleitungs-Feder angelötet sein - ist es aber nicht: Es hat sich gelöst!


Nun hilft also nur noch Löten - und hier muss man höllisch aufpassen: Die Feder ist nämlich direkt in die Plastikkupplung eingegossen: Jede zu starke Erhitzung mit der rund 370 Grad heissen Lötspitze bringt also das Hartplastik zum Schmelzen (leider passiert das auch in diesem Fall..). Nach dem Anlöten wurden die Kontakte ebenfalls noch etwas gereinigt und abgeschliffen und dann das Gehäuse wieder aufgesetzt, nachdem alle anderen stromführenden Teile und das Lämpchen in gutem Zustand zu sein scheinen.


Diesmal war die Testfahrt erfolgreich - der Stromfluss zwischen vorderem und hinterem Teil war wieder hergestellt! Es gab jedoch einen kleinen Schönheitsfehler: Der Lichtwechsel schien umgepolt! Doch wie kann es sein, dass nun auf einmal das Tenderlicht weiss leuchtet wenn die Lok vorwärts fährt und die vorderen Lichter bei der Rückfahrt weiss leuchten [4]?
Die Erklärung dafür war: Beim Auseinandernehmen des Tenders wurde auch der Motor zur Überprüfung kurz herausgenommen, und danach irrtümlich wieder verkehrt herum eingebaut.. dadurch waren die falschen Pole mit den Feder-Stromabnehmern der Platine in Kontakt!


Die "richtige" Seite des Motors kann man von aussen eigentlich nicht erkennen - es bietet sich also an, "oben" und "unten" zumindest temporär zu markieren. Man kann den Fehler also beheben, indem man den Motor einfach um 180 Grad dreht und dann wieder einbaut. Das bietet sich als nächsten Schritt gleich direkt an - da man den Tender zur Wartung und Getriebe-Schmierung ja sowieso nochmals öffnen muss.
Wartung und Instandhaltung
Nun geht es an den Austausch der Haftreifen: Dazu muss der Unterboden des Tenders geöffnet werden. Auch dieser Schritt kann, falls nicht vorsichtig ausgeführt, zum Abbruch von Plastik-Rastnasen führen - man sollte also Geduld und Fingerspitzengefühl haben. Nachdem der Unterboden vorsichtig herausgehoben wurde, kann man die Achsen mit den Zahnrädern herausnehmen und reinigen.
Die alten, grünen Haftreifenreste werden mit Zahnstochern herausgekratzt und die Achsen anschliessend mit Waschbenzin entfettet.

Danach braucht man Ersatz-Haftreifen: Laut Katalog entsprechen diese der Roco-Ersatzteilnummer 4589S, welche es bereits seit Jahrzehnten nicht mehr im Sortiment gibt. Laut Roco Ersatzteil-Tabelle wurde diese Nummer inzwischen durch eine neue Nummer ersetzt - nämlich die 85602 [3] welche jedoch auch wieder veraltet ist. Durch den Kauf eines Ersatzteil-Konvoluts gab es diese Haftreifen noch im Vorrat - was für ein Glück, möchte man meinen!
Nun wurde also versucht, die neuen Haftreifen aufzuziehen - dabei kann man beispielsweise einen Zahnstocher oder kleinen Schraubendreher verwenden und den Gummiteil radial über die Fläche ziehen. Doch was passiert mit Gummireifen, welche sich über Jahrzehnte in Originalverpackungen befinden?


Die Antwort ist: Der Weichmmacher verflüchtigt sich langsam, aber sicher aus dem Gummi, und die Haftreifen werden spröde. Sie brechen dann teilweise schon bei kleinster Belastung - beispielsweise wenn man versucht, sie über die Räder zu ziehen.
Nur mit Ach und Krach und nach vielen vergeblichen Versuchen war es schlussendlich möglich, die Achsen mit vier neuen Haftreifen zu bestücken. Auch diese werden jedoch bald verspröden und in naher Zukunft bei Belastung reissen - es hilft also schlussendlich nur der Weg über neuere Produkte oder Drittanbieter. Da es keinen direkten Ersatz gibt, hilft dann nur, die Passgenauigkeit über die Reifengeometrie abzuschätzen. Das wird wohl eines der Projekte bei der nächsten Instandhaltung dieser Lokomotive werden.


Anschliessend werden auch alle anderen Achsen gereinigt und das alte und teils verharzte Getriebeöl aus dem offenen Getriebe so gut wie möglich entfernt. Um das Getriebe vollständig auszubauen, müsste man die Rastnasen des schwarzen Getriebe-Plastikgehäuses im roten Metallgehäuse des Tenders eindrücken. Da der Druckguss an einigen Stellen jedoch sehr dünn ausgefallen ist und es ein grosses Risiko wäre, zu versuchen, die Rastnasen des Getriebegehäuses heil rauszubekommen wurde darauf verzichtet.
Das alte Öl wird so gut wie möglich mit Zahnstochern und Wattestäbchen sowie Waschbenzin aus den Plastik-Zahnrädern rausgekratzt.. anschliessend werden die Radachsen mit einem winzigen Tropfen Schmieröl eingefettet, und Roco Spezialfett auf die Getriebe-Zahnräder aufgetragen.


Alles wird nun wieder verschlossen und mit einer kurzen Testfahrt [5] auf Funktionstüchtigkeit überprüft - und fertig ist die Instandsetzung unserer wunderschönen BR 58!
~HS~




Noch eine abschliessende Anmerkung zur Stromübertragung zwischen Lok und Tender:
Die technische Lösung der beiden Federn seitlich der Kupplung ist mittlerweile überholt und hat sich in der Praxis nicht bewährt. Viele Modellbauer haben sich daher dafür entschieden, die Federn fest mit Kabeln zu verbinden und somit Kontaktproblemen aus dem Weg zu gehen. Dadurch kann man (ausser durch zusätzlichen Einbau von Steck-Verbindungen) den Tender nicht mehr von der Lok trennen - beim Anlageneinsatz ist diese Tatsache jedoch nur sekundär. Auch diese Modifikation würde sich für den nächsten Wartungszyklus unserer BR58 anbieten - für den Moment wird sie jedoch noch im Original-Zustand belassen.
Verkauf
Im November 2024 fand unsere BR 58 zum Selbstkostenpreis ein neues Zuhause bei Andy in Heilbad Heiligenstadt/Thüringen. Viel Spaß damit!
Referenzen
[1] ROCO-Katalog 1979 - https://www.modelleisenbahntreff-nordheide.de/doc/ROCO1979.pdf
[2] ROCO - Bedienungsanleitung 71922 - https://z21app.roco.cc/doc/an/1/de/8071922920.pdf
[3] ROCO - Ersatzteilnummern Standardware alt vs. neu - https://mobadata.de/static/catalogs/de/et/Artikelnummer-alt-neu_Standardware.pdf
[4] Testfahrt der BR 58 mit falschem Lichtwechsel - https://www.dropbox.com/scl/fi/edea9nuiviok0wcjubdx0/BR-58-Licht-falsch-rum.mp4?rlkey=1mha9jjez0gxkdwb23gq690f1&st=fjqhdej8&dl=0
[5] Testfahrt der BR 58 nach der Reparatur - https://www.dropbox.com/scl/fi/v7abs9nm993luo01langq/Testfahrt-BR-58-nach-Reparatur.mp4?rlkey=14umg26devxqvx7v9ylvd1kih&st=n1hz8wpa&dl=0
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