Projekt 2024-4172

Fleischmann 4172 - BR 03

Dieses Projekt wurde im Juli/August 2024  sowie im Januar/Februar 2025 bearbeitet.

Stichworte: Wiederherstellung des Digitalbetriebs, Wartung, optische Korrekturen

Ankauf

Diese Lok wurde günstig auf kleinanzeigen.de erworben, der Zustand wurde als "gebraucht" und wartungsbedürftig beschrieben.

Mit Artikeln aus Nachlässen kann es immer mal wieder Ûberraschungen geben - jedoch scheint der Gesamtzustand  laut den Fotos ganz gut zu sein.. Doch um welches Modell handelt es sich eigentlich?

Die Fleischmann Stromlinien-Dampflok BR 03 wurde im Jahr 1981 auf der Titelseite des Fleischmann-Katalogs als Neuerscheinung gezeigt [1]. Im Katalog war Sie dann als Nummer 4172 ausgezeichnet.

Eine wunderschöne Lokomotive - Nun sehen wir also mal, wie es um den technischen und optischen Zustand dieser Lok bestellt ist.

Diagnose

Optisch macht die Lok einen gebrauchten Eindruck - eine der Stufen zum Lokführerstand war (vielleicht durch den Versand) teilweise gebrochen, ein paar Kratzer sind zu sehen.

Auf der Unterseite der Lok war einer der vorderen beiden roten Stifte zwischen Unterboden und Gehäuse teilweise abgebrochen, was Optik und Funktionalität jedoch kaum beeinträchtigt. Das vordere Gehäuse der Lok lässt sich bei diesem Modell nach dem Entfernen von 2 Schrauben am Unterboden übrigens sehr leicht abnehmen, wie man auch in der im Internet aufgestöberten Bedienungsanleitung erkennen kann [5].

Bei der ersten Testfahrt wurde festgestellt, dass die vordere Lampe der Lok nicht funktioniert. Ausserdem wurde bemerkt, dass die Lokomotive auch bei Vollast des Transformators nur sehr langsam, aber stetig anfährt. Das ist ein sehr ungewöhnliches Verhalten, was eventuell auf eine Modifikation hindeutet. Diese Vermutung wurde auch sogleich bestätigt - und zwar durch einen ungewöhnlichen Fund im Tender.

Der Tender ist bei diesem Modell nur aufgeklipst und lässt sich daher einfach mit etwas Spreizen vertikal abziehen. Im Inneren befand sich ein Gewicht,  ein Motor, sowie - etwas, das wie ein Dekoder aussieht! Dieser wurde nach erster Begutachtung fachmännisch eingebaut und ist wohl für die verzögerte Anfahrt und den generell sehr langsamen Lauf der Lok verantwortlich: Digital lassen sich Anfahrverhalten und Maximalgeschwindigkeit vorbildgerecht programmieren - auch für den Analogbetrieb.

Wie in der Beschreibung der Lok auf kleinanzeigen.de angegeben wurde "von aussen etwas Öl aufgetragen" - und zwar anscheinend auf die Räder und in das Getriebe, was deutlich sichtbar ist - dieses werden wir entfernen, um die Optik zu erhalten und um zu verhindern, dass sich das Öl beim Betrieb überall dorthin verteilt, wo es nicht sein sollte.

Reparatur und Instandsetzung

Der Dekoder scheint fachmännisch eingebaut worden zu sein, was darauf schliessen lässt, dass sich die Lokomotive nicht nur analog steuern lässt, sondern auch digital. Ist die vordere Lampe also gar nicht kaputt, sondern nur die Ansteuerung digitalisiert? Ein kurzer Test bestätigt: Es ist tatsächlich so - die Lampe funktioniert! Das deutet darauf hin, dass die Lokomotive tatsächlich auf digital umgebaut wurde.

Um welchen Decoder handelt es sich? Hier hilft manchmal nur der Abgleich mit Bildern via Internet-Suche oder die Hilfe von Kollegen. Im unserem Fall lässt das Decoder-Modell aufgrund der Anordnung der Elektronik-Komponenten eindeutig zuordnen: Es handelt sich wohl um einen ESU LokPilot V3.0 [2]: Ein relativ leistungsfähiger Decoder mit welchem sich auch das beobachtete Anfahrverhalten im Analogbetrieb simulieren lässt.

Nun müssen wir die einprogrammierte Digital-Adresse finden, was ohne Anhaltspunkte gar nicht so einfach ist. Ich besitze eine Roco Lokmaus 2, welche bis zu 99 digitale Adressen ansteuern kann - die Adresse der BR 03 scheint jedoch nach etwas herumprobieren nicht dabei zu sein.

In solchen Fällen vergibt man die Adresse dann einfach neu. Bei der Lokmaus 2 muss man dafür zB auf einem Testgleis einfach die Tasten P und * gleichzeitig drücken [3] und kann daraufhin die gewünschte neue Adresse einprogrammieren - in meinem Fall testweise die 5:

Ein kurzer Test zeigt, dass sich die Lokomotive nun tatsächlich auch digital ansteuern lässt: Sie fährt einwandfrei vorwärts und rückwärts mit einprogrammiertem Anfahrverhalten und funktionierendem, einfachem Lichtwechsel.

Die gebrochene Führerstands-Leiter wurde mit Plastikkleber wieder instandgesetzt: Der Kleber wurde vor allem von der Innenseite aufgetragen, um optische Mängel so gut wie möglich zu vermeiden.

Damit ist die geplante Reparatur schneller als angenommen bereits zu Ende: Anstatt einer defekten Analog-Lokomotive haben wir nun also eine funktionierende Digital-Lokomotive herausbekommen. Kein schlechter Deal :)

Sowohl auf einer analogen als auch auf einer digitalen Teststrecke fuhr die Lok einwandfrei - analog jedoch ohne Vorderlichter [6][7].

Wartung und Instandhaltung

Die vorderen Räder und die Stromabnahme-Federn wurden so gut wie möglich mit Wattestäbchen und Waschbenzin gesäubert.

Das Gewicht im Tender kann mit 2 Schlitzschrauben entfernt werden und gibt einen Blick auf das Getriebe und den Motor frei. Wie bereits in der Beschreibung des Verkaufsartikels wurde viel zu viel Öl aufgetragen, was nun mühselig wieder entfernt werden musste.

Die Haftreifen sind noch in sehr gutem Zustand und wurden daher für den Moment noch nicht ausgetauscht.

Für die Reinigung des Getriebes wurde ein kleiner Trick von einem befreundeten Modellbauer angewendet: Das Getriebe wurde so gut wie möglich freigelegt, in eine alte Plastik-Zahnbürstenverpackung gelegt (welche die äussere Geometrie ganz gut nachstellte), teilweise in SR24 Modellbahnöl eingetaucht und danach der Motor mit einem Labornetzteil zum Laufen gebracht. Dadurch wurde das Reinigungsöl im ganzen Getriebe verteilt und somit die Zahnräder ganz gut gesäubert - bereits nach wenigen Minuten hatte man einen sichtbaren Effekt [8].

Durch die Getriebereinigung jedoch ergab sich ein neues Problem: Das Reinigungsöl entfernte nicht nur die alte Getriebeschmierung, sondern auch die Schmierung der Messinglager des Motorritzels - weshalb es bei der Testfahrt ein lautes Quietschen als Resultat gab [9].

Abhilfe schaffte die Neu-Schmierung mit Spezialöl, welches in mehreren Schritten an den Lagerstellen der Ritzelachse aufgetragen wurde - und zwar beidseitig und sehr sparsam: Falls sich zu viel Öl ins Innere des Motors verirrt, kommt es nämlich zu erheblichem Funkenflug.

Apropos Funkenflug im Motor: Bei dieser Gelegenheit konnte man auch gleich den Zustand der beiden Kohlenbürsten kontrollieren, die man inklusive Federn aus zwei kleinen Metalldeckeln herausziehen und inspizieren konnte.. diese sahen noch recht passabel aus.

Vor dem Schliessen des Tenders wurde das doppelseitige Klebeband des Decoders noch erneuert und der Decoder wieder eingesetzt. Hier war darauf zu achten, dass die dünnen Kabel nach dem Einbau nicht im Getriebe landen können oder zwischen Gewicht und Tender-Gehäuse eingeklemmt werden.

Zu guter Letzt soll die Optik noch ein bisschen verschönert werden. Als ersten Schritt wurde das Gehäuse so gut wie möglich entstaubt - man kann das ganze Plastikteil beispielsweise in Seifenlauge einlegen - oder vorsichtig versuchen, die teilweise festklebenden Staub-Rückstände mit einem Pinsel und Seifenwasser zu entfernen.

Die Lok war in gebrauchtem Zustand und hat im Laufe ihres Lebens ein paar Macken abbekommen - ausserdem war, wie oben beschrieben, eine Sprosse der Leiter zum Lokführerstand teilweise abgebrochen.

Die Sprosse wurde einfach mit handelsüblichem Plastikkleber wieder angeleimt. Wie bei den Macken entstand dadurch jedoch ein zusätzlicher, kleiner optischer Makel den man nun noch versuchen kann, etwas auszubessern.

Falls man die Möglichkeit hat, ein Airbrush-System einzusetzen könnte man nun ins Auge fassen, das Lokgehäuse komplett neu zu lackieren - dies ist jedoch aufgrund der auf das Plastik aufgedruckten Elemente und Muster nicht trivial, falls man keinen Ersatz verfügbar hat.

Deshalb wurden handelsübliche Emailfarben verwendet, um die optisch unschönen Stellen etwas zu kaschieren: In unserem Fall kämen grob die Farbtöne Anthrazit, schwarz matt, und schwarz glänzend in Betracht. Keine dieser Farben wird den Schwarzton der Lok perfekt treffen können - man kann jedoch mit etwas Geschick vielleicht dafür sorgen, dass die Makel nicht sofort auffallen.

Anthrazit war deutlich zu hell und wurde mit Waschbenzin wieder entfernt - von den beiden verbleibenden Optionen war Schwarz glänzend (7) näher am Original-Farbton des Plastiks zu finden, weswegen es im nächsten Versuch verwendet werden sollte.

Hier war das Ergebnis nun deutlich besser: Die Macken waren nach vorsichtigem Auftragen einer dünnen Farbschicht mit einem Haarpinsel kaum mehr zu sehen - auch die Klebestelle der Stiege konnte man kaum noch erkennen.

Auch die Verpackung wurde etwas instandgesetzt und die Zellophan-Folie innen wieder festgeklebt. Für später wurden noch das online gefundene Ersatzteilblatt [4a][4b] und die Anleitung [5] ausgedruckt. Bei digitalen Lokomotiven nicht vergessen, auch die Digital-Adresse sowie den Typ des Dekoders zu vermerken - das spart später Aufwand und unnötige Sucherei.

Nach kurzer Abschluss-Reinigung erstrahlt unsere BR 03 wieder in neuem Glanz - unsere schöne Lokomotive ist nun optisch, analog und digital wieder voll einsatzfähig!

~HS~

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