Projekt 2025-1895
Rivarossi 1895 - M. 4000 C' C'
Stichworte: Wartung, Lämpchenwechsel, Diodeneinbau, Signalpfeife
Erwerb
Diese Doppel-Lokomotive war Teil eines Nachlasses. Es handelte sich dabei sicherlich um eines der interessantesten Projekte, die es bisher auf unseren Bastlertisch geschafft haben. Sie befand sich in einem dem Alter entsprechend ganz gutem Zustand - man musste sich jedoch aufgrund fehlender Ersatzteile und veralteter Technik darauf einstellen, bei der Instandsetzung etwas improvisieren zu müssen.



Doch um welche Lokomotive handelt es sich eigentlich?
Bei Rivarossi Artikel-No. 1895 handelt es sich um einen Nachbau einer mächtigen, diesel-hydraulischen Doppellokomotive des Herstellers Krauss-Maffei, welche auch für die Rio Grande Linie in den USA zum Einsatz kam. Im Jahre 1964 wurde die Lok als Modell-Neuheit auf Seite 12 des damaligen Rivarossi-Katalogs angekündigt - es handelt sich dabei fast schon um eine Antiquität [1].

Und wie man es vielleicht erwarten musste, war auch die Technik zu damaliger Zeit noch eine etwas andere: Robust, fast ausschließlich mechanisch - und mit einigen doch sehr ungewöhnlichen Elementen.
Diagnose
Die beiden Gehäuse der Doppel-Lok lassen sich mittels zweier Schrauben auf dem Dach sehr einfach öffnen - aufgrund des Alters und des sicherlich dutzendweisen Öffnens des Gehäuses in den letzten Jahrzehnten sind die Gewinde jedoch ausgeleiert, und die Gehäuseschrauben fallen quasi schon von selbst heraus.
Ein Wagen der Doppellok ist motorisiert, der andere nicht - jedoch gibt es trotzdem einige elektronische und mechanische Elemente im nicht angetriebenen Wagen, die wir uns noch genauer anschauen werden.

Die Gehäuse sind aus Plastik und einfach ausgeführt, das Licht der Glühbirnen wurden mit Lichtleitern an die Spitzenlichter übertragen. Innen waren alle Teile dem Alter entsprechend in ganz gutem Zustand - alles war jedoch etwas verstaubt und verschmutzt.
Der motorisierte Teil besteht aus einem Grundrahmen auf dem zwei Drehgestelle mit jeweils drei Achsen befestigt sind - an einem dieser Drehgestelle ist direkt oben drauf der Motor montiert, das andere dient nur zur einpoligen Stromabnahme. Ausserdem gibt es, so wie beim unmotorisierten Teil, eine Glühlampe mitsamt Verkabelung, sowie einige Schichten aus Stahlplatten als Ballastgewicht zu finden.


Nur eine der Glühlampen funktionierte, die andere leuchtete sehr schwach - weswegen es Sinn machen könnte, gleich beide auszutauschen, beispielsweise gegen lichtstärkere und modernere LED-Leuchten.. ausserdem hatte die Beleuchtung des unmotorisierten Wagens keinen Richtungswechsel und leuchtete, wann immer Strom floss - auch hier gab es also Potential zur Verbesserung.
Der Motor saß lose auf dem Drehgestell und konnte dadurch kein Drehmoment auf das Getriebe übertragen: Dies war von Werk aus bestimmt nicht so gewollt. Außerdem wurde im Gehäuse ein kleiner Steckschlüssel gefunden welcher für die Befestigung des Motors noch wichtig sein sollte. Der Motor selbst lief noch, wie ein kurzer Test zeigte - die Schnecke und das Getriebe waren jedoch etwas verölt, was eine gründliche Reinigung notwendig machen sollte.



Beim unmotorisierten Wagen befand sich hinter der Glühbirne ein sehr interessanter mechanischer Aufbau, bestehend aus Federn und Kippschaltern, welche anscheinend durch einen Plastikschleifer zwischen den Drehgestellen angesteuert werden konnten. Neben diesem Aufbau befand sich ein grosser, weisser Metallzylinder welcher an grosse Stromabnahmefedern gekoppelt war.



Hierbei handelt es sich um nichts anderes als eine Sirene! Glücklicherweise blieb die alte Original-Anleitung wie durch ein Wunder erhalten - somit konnte man den Aufbau dieses wundersamen Teils verstehen.. und eventuell auch prüfen, ob alles noch funktioniert.
Nun war auch klar, wofür die grossen Stromabnahme-Federn gedacht waren - nämlich für eine damals übliche 1.5V-Batterie, welche die Sirene bei Betätigung mit Strom versorgte. Die Betätigung erfolgte tatsächlich über den Plastik-Kippschalter zwischen den beiden Drehgestellen, welcher bei Kontakt mit einem speziellen erhöhten Gleis die Sirene betätigte: Damals galt dies sicherlich als gut ausgetüfteltes Wunderwerk der Technik.
1.5V-Batterien dieses Typs sind heutzutage fast nicht mehr erhältlich - es gibt jedoch vereinzelt noch ähnliche 1.5V-Batterien im Handel, die jedoch zur Betriebs-Anwendung etwas zu gross waren.. einem kurzen Test stand jedoch nichts im Wege.


Die Batterie wurde laut Anleitung eingelegt, und die losen Stromfedern etwas improvisiert angelegt - und schon konnte man bei Betätigung des Kippschalters ein Sirenensignal auslösen, was zugegebenermaßen fürchterlich klang [2].. aber das fast 60 Jahre alte System war somit immer noch intakt!

Somit war nun klar, welche Probleme für die Instandsetzung gelöst werden müssen: EIne gründliche Reinigung und Wartung des Innenlebens und des Getriebes, die Kraftübertragung des losen Motors muss wieder hergestellt werden. Ausserdem gehören die Glühbirnen ausgetauscht, gegebenenfalls alte, zerrupfte Kabel inklusive der Lötstellen ersetzt - auch die Batterie-Aufnahme der Sirene muss etwas modifiziert werden da die Stromabnehmer im Moment lose herumhängen. Es gibt auch Raum für Verbesserung - nämlich die Beleuchtung des unmotorisierten Wagens richtungsabhängig zu gestalten.
Reinigung und Wartung
Zunächst wurden Rahmen und Gehäuse gesäubert: Farbige Ablagerungen hatten die Innenseite der Abdeckung verunreinigt.. diese wurden ebenso entfernt wie Fussel und Reste von Schmierfett.
Danach ging es an die Reinigung der Getriebezahnräder. Das auf die Treibachsen aufgesetzte Getriebe lässt sich mit Hilfe der Anleitung einfach entfernen indem man das motorisierte Drehgestell vom Rahmen löst - und zwar mit dem Herausziehen eines dünnen Metall-Querbalkens direkt unter dem Motor.


Nun kann man den unteren Getriebedeckel abschrauben und alle Messing-Zahnräder herausnehmen. Alle anderen Drehgestelle haben übrigens die selben Deckel aufgesetzt - auch wenn sich kein Getriebe, sondern nur die Stromabnehmer dahinter befinden.


Zahnräder und Getriebe-Gehäuse werden zunächst mit Papiertüchern und Wattestäbchen vorgereinigt, anschliessend in SR24 eingelegt und danach mit einer alten Zahnbürste nachgereinigt bis das meiste alte, inzwischen schwarz gefärbte Fett entfernt ist.
Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, am besten fotografisch festzuhalten wie die Zahnräder im Getriebe liegen und auf welcher Seite der Achsen sich die isolierten Räder befinden - ansonsten riskiert man später einen Kurzschluss!



Nach erfolgter Reinigung werden alle Achslagerstellen mit Spezialöl, und alle Zahnräder mit Schmierfett neu geschmiert.


Auch die Achsen aller anderen Drehgestelle sowie die Stromabnehmer sollten kurz gereinigt und neu geschmiert werden, um später Kontaktprobleme und weitere Ansammlung von Schmutz zu vermeiden. Auch hier muss man auf die richtige Anordnung der Isolierung aller Räder achten.


Nun ging es an die Instandhaltung des Motors, wo sich etwas Flugrost angesammelt hatte. Die Messing-Schnecke wurde so gut wie möglich gereinigt.. die Kontakt-Lötstellen waren noch intakt und sahen gut aus, weswegen sie original belassen wurden.


Zur Tiefenreinigung müsste man die beiden seitlich gelegenen Schrauben entfernen, was sich als Problem herausstellte: Nur eine der Schrauben liess sich trotz Einsatzes von etwas Kraft und WD40 lösen, die andere blieb festgefressen. Um den Motor intakt zu lassen wurde daraufhin davon abgesehen, die Schraube herauszubohren - Ersatzschrauben und Ersatzmotoren zu finden ist nämlich quasi ein Ding der Unmöglichkeit.


Reparatur
Vor der eigentlichen Reparatur wird zunächst ein anderes, oftmals in der Wichtigkeit unterschätztes Teil instandgesetzt - nämlich die Originalverpackung. Diese sorgt nicht nur für eine kleine Wertsteigerung beim Wiederverkauf, sondern schützt die Lok auch beim Versand und bei der sachgerechten Lagerung vor Beschädigungen und Druckstellen. Die rote Plastikbox ist teilweise abgesplittert und wurde mit handelsüblichem, transparentem Klebeband wieder so gut wie möglich ausgebessert.


Die Original-Anleitung war, wie oben bereits gezeigt, überraschenderweise noch vorhanden und intakt und sollte und auch sogleich dabei helfen, herauszufinden wie der Motor installiert wird: Man muss den Steckschlüssel nämlich seitlich unter dem Gehäuse in die Motornut einrasten lassen, und schon war der Motor in der richtigen Stellung fixiert. Der Steckschlüssel ragt anschliessend unscheinbar etwas über dem Drehgestell hinaus und kann mit einer kleinen Zange bei Bedarf wieder herausgezogen werden, um den Motor wieder zu entfernen.


Ein kurzer Funktionstest zeigte, dass der Motor tatsächlich noch funktionierte: Er hatte jedoch Probleme, rund zu laufen und blieb immer wieder stecken [3]. Da man den Motor leider nicht öffnen konnte (siehe weiter oben) musste es also Schmieröl richten: Die nominelle Schmierstelle ist durch einen kleinen Nippel zwischen den beiden Kohlen gegeben - zusätzlich kann man noch versuchen, etwas Öl von der Innenseite des Motors auf die Lagerungen zu tröpfeln damit er hoffentlich wieder runder laufen kann.


Nun musste das Öl etwas einwirken - Bei der finalen Testfahrt sollte sich dann zeigen, ob die Schmier-Operation erfolgreich war.
Da das Lämpchen im Motorwagen nicht leuchtete sollte es durch eine handelsübliche LED ersetzt werden die man im Regal (oder via ebay) problemlos und preiswert erwerben kann. Hier wählte ich eine "warmweisse" LED mit E 5,5 Sockel: Dieser sollte ungefähr in die Aufhängung der Lämpchen passen.


Sie passte dann auch fast hinein, war aber doch etwas zu schmal. Abhilfe schafft hier doppelseitig leitendes Kupferklebeband von dem man einfach 2 oder 3 Lagen um das Gewinden wickeln kann, um die Fassung passgenau zu machen. Schlussendlich musste noch der Pol am Ende des Birnchens mit dem Stromkabel verlötet werden, dann waren alle Arbeiten am motorisierten Wagen abgeschlossen: Ein kurzer Test am Rollenprüfstand zeigte, dass die Lampe nun schön warmweiss bei Vorwärtsfahrt leuchtete. Das kurze Flackern bei Rückwärts-Langsamfahrt störte nicht weiter und wurde geduldet.


Bei der unmotorisierten Einheit mussten einige Lötstellen und Kabel erneuer werden an denen der Zahn der Zeit nagte - vor allem die Sirenen-Kontakte waren nur noch unzureichend verbunden. Das Lötzinn wurde also abgeschabt, anschliessend wurden die Lötstellen erhitzt und neu mit den Kabeln verbunden. Bei Gelegenheit wurden auch gleich die Kontaktstellen zur 1.5V-Batterie etwas gereinigt.



Die Batterie-Halterung war lose und sollte wieder mit dem Rahmen verbunden werden. Die ursprüngliche Verbindungsart war unbekannt - es könnte jedoch eine kleine Schraube gewesen sein. Das ehemalige Gewindeloch im Hartplastik wurde etwas erweitert und der Metalleinsatz ausgebohrt. Anschliessend wurde ein Gewinde neu hineingeschnitten und eine kleine M3-Senkkopfschraube verwendet, um die Halterung wieder festzumachen.
Leider ist das Plastikgewinde nicht für grössere Kräfte ausgelegt - man könnte also eventuell einen neuen Metall-Gewindeeinsatz einkleben, um die Konstruktion in Zukunft etwas stabiler zu machen.. sie hält aber zumindest das Eigengewicht der Halterung.



Wie oben bereits erwähnt sind gängige 1.5V-Batterien nicht direkt kompatibel da sie zu gross sind und nicht ins Gehäuse passen - die Sirene ist jedoch funktional und kann theoretisch betrieben werden: Zumindest mit 1.5V-Batterien gängiger Grösse im Italien der 60er-Jahre :-)


Die Schrauben zum Befestigen der Gehäuse (durch das Dach) waren beide bereits so lose, dass sie quasi von selbst herausfielen: Das Gewinde im Plastikteil hatte sich über die Jahrzehnte schon so abgenutzt, dass es praktisch nicht mehr vorhanden war.
Es gibt verschiedene Techniken, solche Gewinde wieder funktional zu machen - zum Beispiel das Auffüllen mit 2-Komponenten-Kleber und das Neu-Schneiden des Gewindes in neugebohrtem Gewindeloch, oder das Einkleben eines Gewindeeinsatzes, vorzugsweise aus Messing. Bei diesen Schrauben hatten wir jedoch Glück: Sie liessen sich einfach durch selbstschneidende Schrauben vergleichbarer Grösse ersetzen welche aus einem handelsüblichen Schraubenkonvolut stammten. Diese waren als "M2.3" deklariert und hatten eine etwas kürzere Länge von 10mm, was der Funktionalität jedoch keinen Abbruch tat. Trotz neuer Schrauben blieb das Gehäuse des motorisierten Wagens etwas locker, da sich der untere Gehäuseteil (wahrscheinlich aufgrund von Eigenspannungen über die Jahrzehnte) etwas verzogen hat.



Eine Sache gibt es noch zu tun: Aufgrund der extrem einfachen Bauweise leuchtet das Lämpchen der unmotorisierten Einheit immer, wenn Spannung anliegt - und zwar in beide Richtungen: Das Lämpchen hat also keinen Richtungswechsel.
Dies kann man relativ einfach korrigieren indem man eine Diode in den Stromkreis einlötet. Dioden lassen Strom in eine Richtung durch, blockieren jedoch Strom in die andere Richtung. Sie sind daher ideale Bauteile, um die Funktionalität des Richtungswechsels zu realisieren. Dazu braucht man eine handelsübliche kompatible Diode zu unserem Stromkreis (in unserem Fall wurde eine 1N4007 Gleichrichter-Diode verwendet), Schrumpfschläuche, und ein Lötgerät: Die Diode kann direkt mittig im Original-Kabel vom Lampenpol zur Stromabnahme-Feder eingelötet werden.


Die Diode kann man direkt im Schrumpfschlauch verbergen - in unserem Fall wurde links und rechts der Diode ein Schrumpfschlauch angebracht und die Diode freigelassen, falls in Zukunft jemand direkt sehen möchte, was im Stromkreis verbaut wurde. Zum Schutz und zur Isolierung wurde noch ein kleiner Streifen Kapton-Klebeband um die Diode gewickelt den man einfach wieder entfernen kann.


Nun waren alle Arbeiten abgeschlossen - es fehlt also noch die finale Testfahrt: Geschmeidig und doch kraftvoll schlängelte sich unsere Doppel-Lok über die Teststrecke.. Lichtwechsel und Langsamfahrt funktionierten dabei einwandfrei [4].
Ein weiteres, tolles Instandsetzungsprojekt ist damit zu Ende - hoffentlich wurde diese schwere und robuste, aber dennoch schöne Doppellok nicht zum letzten Mal wieder in ihre Originalverpackung verfrachtet!
~H.S.~



Referenzen
[1] Rivarossi-Katalog 1964/1965 - Conrad Antiquario - https://www.conradantiquario.de/content/katalog/rivarossi-katalog-1964-1965.html
[2] Sirenentest - ML4000 - https://www.dropbox.com/scl/fi/xajb6enlezeiwtybfy89p/Sirenentest-GG1.mp4?rlkey=c8cmbnzk0n5u2nywacdmtetdb&st=lh3a7pvg&dl=0
[3] Steckender Motor - ML4000 - https://www.dropbox.com/scl/fi/eddi2onf6psm6vsbu56sc/Rivarossi-KM-ML4000-Motor-bleibt-stecken.mp4?rlkey=gbsdt0n2x743f2kcw211h1vek&st=45aja79j&dl=0
[4] Finale Testfahrt - ML4000 - https://www.dropbox.com/scl/fi/wrtoj6o2c69ki67webzdl/M4000-finale-testfahrt.mp4?rlkey=pae2zia5zq4zjs7js0czbz5py&st=eu9hlycs&dl=0
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