Projekt 2025-4130
Roco 4130 - E 144.5
Stichworte: Wartung, formschlüssige Befestigung einer Stromfeder, technische Instandsetzung
Erwerb
Diese Lok wurde vor rund 20 Jahren sehr günstig auf ebay erworben und lag lange in ihrer Originalverpackung - darauf wartend, irgendwann einmal instandgesetzt zu werden.. bis es dann 2025 so weit war und man sich schliesslich ein Herz nahm.


Doch um welche Lokomotive handelt es sich eigentlich?
Das Modell 4130 war tatsächlich eine der ersten Lokomotiven, welche die Firma Roco im Programm hatte - nur die V 215 wurde noch früher veröffentlicht, nämlich im Jahr 1973. Zwei Jahre später waren die BR 144 und BR 144.5 (oder E144 5, wie auf der Verpackung geschrieben) dann gleich als Neuheit auf Seite 2 des Hauptkatalogs 1975 zu finden [1] - zum Zeitpunkt der Instandsetzung war die Lok also rund 50 Jahre alt und somit ein echter Oldtimer.

Loks dieses Alters haben üblicherweise Probleme mit verharztem Schmiermittel, manchmal auch Versprödung des Plastiks oder Korrosion der Metallteile - schauen wir mal, welche Problemchen unsere Lok im Laufe der Jahrzehnte angesammelt hat.
Diagnose
Man kann sagen dass die Lok trotz des Alters in optisch sehr gutem Zustand war. Als Makel konnte man kaputte/versprödete Haftreifen, Flugrost an den Pantographen und Abblättern der rötlichen Farbe an der Dachverdrahtung feststellen - ausserdem war das Gehäuse etwas abgegriffen und verstaubt.


Auch ein Kleinteil fehlte - nämlich einer von insgesamt vier schwarzen Einsteckteilen direkt an den Drehgestellen, welcher wohl einen Teil des Bremssystems darstellen sollte. Wenn man nicht danach suchte, fiel dieser kleine Makel jedoch auch nicht gross auf.


Die wirklichen Probleme zeigten sich jedoch bei der Testfahrt [2]: Es ging stark ruckelnd bis gar nicht vorwärts, der Motor und das Getriebe machten laute Geräusche und quietschten, das Spitzenlicht war schwach - ausserdem konnte man kleinere verharzte Schmierstellen durch den Getriebedeckel erkennen: Hier wartete also einige Arbeit auf uns.
Ersatzteile
Original-Haftreifen für dieses Modell gibt es bereits seit Jahrzehnten nicht mehr als Ersatzteil. Falls man doch noch irgendwo welche finden sollte, haben sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit inzwischen die Weichmacher verflüchtigt - Haftreifenersatz besorgt man sich also am besten von Drittanbietern.
Auf der Website von KaModell wurde die Nummer 4130 von Roco nicht explizit aufgeführt - man konnte jedoch auf der homepage in der Typen-Tabelle der Loks die BR 144 finden - weswegen sich die Haftreifen 5B/0.5 als passenden Ersatz präsentierten [3]. Diese hatten wir glücklicherweise noch im Vorrat.
Die beiden Dioden für den Lichtwechsel, der Entstörkondensator und die beiden Glühbirnchen sind allesamt Standard-Teile welche es zuhauf von Drittanbietern gibt und welche sich mittlerweile auch in jedem Roco-Analog-Bastler-Schrank befinden (sollten).


Wartung und Instandhaltung
Zunächst wurde das Gehäuse etwas entstaubt - dann wurde es mit mittigem Spreizen der beiden Seiten nach oben hin abgehoben. Die Platine war generell in gutem Zustand, ebenso die elektronischen Komponenten.
Man konnte sehen, dass die Leiterbahn an einer Ecke der Platine neben der Lötverbindung eines Stromkabels einen Sprung hatte, eventuell wurde die Schraube einmal zu sehr festgezogen. Dies hatte jedoch keinen Einfluss auf die Funktionalität da diese Ecke der Leiterplatte sowieso vom Rest der Platine isoliert war: Es war nämlich jene Seite, die mit einem Drehbolzen das Umschalten auf Oberleitungsbetrieb gestattete. Das konnte man leicht nachvollziehen indem man der Leiterbahn folgte

Die beiden Leiterbahnen münden in zwei Stromfedern, welche zentral nach unten reichen und mit den beiden Polen des Motors verbunden sind. Zugang zum Motor und zu den beiden Kardanwellen/Federn zur Kraftübertragung ans Getriebe bekommt man, indem man die vier Schrauben seitlich an der Platine sowie das dünne Isolierpapier unter der Platine entfernt. Interssanterweise war der Motor in das Metallgehäuse eingeklebt!
Nun konnte man beidseitig die Federn zwischen Motor und Getriebe zB mit einem kleinen Schraubenzieher zusammendrücken und herauslösen um später die Getriebe mit den Drehgestellen herauszunehmen. Kleiner Tipp nebenbei: Um Missverständnissen und falschem Einbau vorzubeugen, kann man die Oberseite des Motors zB mit einem Permanentmarker markieren - ansonsten ist die "richtige" Oberseite später schwer nachzuvollziehen, und die Lok läuft in die entgegengesetzte Richtung!


Nun geht es daran, die Getriebe auszubauen und für die Reinigung zu zerlegen - und das ist gar nicht so einfach, weil dies werkseitig eigentlich gar nicht vorgesehen war. In der Betriebsanleitung konnte man lediglich Informationen darüber finden, wo man das Getriebe ölen sollte und wie man den unteren Getriebedeckel abbekommt - und zwar durch Andrücken einer Rastnase in der Öffnung des Deckels



Als nächsten Schritt kann man nun die Drehgestelle ausbauen, und dafür braucht man etwas Gefühl: Die Gestelle müssen nämlich etwas nach unten gedrückt und dann längs herausgezogen werden.


Die Drehgestelle sind nämlich durch eine kugelförmige Nase auf dem Metallrahmen aufgepresst, was die Zerlegung nicht intuitiv macht - mit etwas Herumprobieren lässt es sich jedoch bewerkstelligen. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sich sehr empfiehlt, vorsichtig vorzugehen: Bei Gewaltanwendung könnten nämlich die gelöteten Kabel reissen oder auch die langen Nasen des Getriebedeckels abbrechen, da das Plastik im Laufe der Jahrzehnte spröde geworden sein könnte.

Nun hat man also die gekapselten Getriebe aus dem Rahmen entfernt und könnte die Zahnräder sowie das Schneckenrad und die Achsen zumindest oberflächlich reinigen und das verharzte Schmieröl und Schmierfett einigermassen herauskratzen.
Ist es nun möglich, das Getriebe weiter zu zerlegen, um die Zahnräder und die Getriebeteile gründlicher zu reinigen? Die Antwort ist: Ja, kann man machen - aber auf eigene Gefahr da es nicht einfach ist, die Getriebehälften zu öffnen ohne Teile zu beschädigen.
Dazu muss man wissen, dass Roco die Federn auf die Plastik-Getriebehälften quasi aufgeschmolzen hat - und zwar mit überstehenden Plastikzapfen an den Seiten, welche wohl erhitzt und dadurch, ähnlich wie bei Nieten, die Stromfedern unlösbar auf den Plastikteilen fixiert haben.

Es gibt nun mehrere Möglichkeiten: Entweder löst man diese Verbindung auf, zB durch abfräsen oder abschneiden der Zapfen, und befestigt sie beim Zusammenbau wieder auf andere Art und Weise, beispielsweise mit Epoxy-Kleber - in diesem Fall wird es jedoch schwierig, die Verbindung in Zukunft noch weitere Male zu lösen, was gegebenenfalls ja wieder notwendig sein kann.
Eine weitere Möglichkeit ist es, die Verbindung lösbar zu machen - beispielsweise mit Klebeband oder einer kleinen Schraube - auch Klemmverbindungen oder Verschweissen mit der Lötspitze könnte funktionieren.. dem Bastler stehen ja bekanntlich viele Optionen offen.
Mit etwas Geschick, Herumprobieren und Glück kann man jedoch auch versuchen, die Getriebehälften auseinanderzubekommen ohne die Stromfedern überhaupt ausbauen zu müssen. Dazu muss man wissen, dass die beiden Getriebehälften nicht nur durch zwei überlappende Rastnasen zusammen-gehalten werden sondern auch durch einen kleinen Plastikteil, welcher sich direkt zwischen den Federn befindet.
Hier kommt uns die Tatsache zugute, dass Roco oft ältere Modelle zu einem späteren Zeitpunkt wieder unter anderer Artikelnummer veröffentlicht und die grundlegenden Teile dabei unverändert lässt - beispielsweise das Getriebe. Somit kann man beim Ersatzteilblatt eines späteren Modells der E 144 sehen, dass sich dieses Teil (No. 31) "Klemme" nennt und die beiden Getriebehälften ebenso durch Rastnasen zusammenhält - welche aber hinter den Stromfedern extrem schwer zugänglich sind [4].


Es ist sehr schwierig, aber nicht unmöglich diese Klemme abzubekommen. Von unten hat man unglücklicherweise keinen Zugang, da die fest aufgeschweissten Stromfedern im Weg sind - man kann jedoch versuchen, mit einem kleinen Schraubenzieher in den kleinen seitlichen Spalt zwischen Klemme und Getriebehälfte hineinzufahren und die Rastnase etwas herausdrücken.
Mit etwas Glück bleibt die Stromfederverbindung dabei heil.. falls man kein Glück hat, nicht: In unserem Fall ist eine der acht Verbindung aufgrund der Sprödigkeit des Plastiks teilweise abgebrochen, die anderen Verbindungen blieben jedoch intakt.


Nach Entfernen der Klemme werden alle Zahnräder und Schnecken freigelegt. Pro Getriebe hat Roco hier sage und schreibe 7 Zahnräder sowie zusätzlich noch 2 Achszahnräder verbaut - das müsste fast ein neuer Rekord sein.


Diese können nun alle ausgebaut und gereinigt werden - wie üblich empfiehlt sich nach gründlicher Vorreinigung mit Wattestäbchen und Waschbenzin ein Bad aller Kleinteile in SR24 Modellbahnöl.


Solange wir auf die Reinigung der im Öl eingelegten Teile warten haben wir nun Gelegenheit, alle elektronischen Komponenten zu testen.. und siehe da: Auch nach rund 50 Jahren funktionieren die Dioden immer noch einwandfrei: Kein Grund zum Tausch! Eines der beiden Lämpchen funktionierte jedoch nicht mehr und wurde durch ein neues Lämpchen selbiger Fassung aus unserem Bastler-Vorrat ersetzt.

Nun ging es daran, neue Haftreifen aufzuziehen: Dies kann man am besten mit den Fingern oder einem Zahnstocher bewerkstelligen. Als Ersatzteile lagen bereits die KaModell-Haftreifen 5B/0.5 bereit. Bei den alten Haftreifen konnte man deutlich Risse durch Sprödbruch erkennen.



Beim Zusammenbau der gereinigten Teile wurden, wie üblich, alle Achslager und Zahnradachsen mit einem winzigen Tropfen Spezialöl geschmiert - ausserdem wurde ROCO Spezialfett auf die Zahnradflanken der Getrieberäder aufgetragen.



Nun gab es noch das Problem des teilweise abgebrochenen Zapfens der Stromfederbefestigung: Wie konnte man dies am besten korrigieren?
Da nur ein sehr kleiner Teil des Zapfens abgebrochen war stand der Grossteil des Materials noch ziemlich weit vom Getriebegehäuse ab. Deshalb wurde entschieden, dass wir versuchen würden, die Stromfeder mit dem verbleibenden Zapfen wieder festzuschmelzen - ganz im Sinne des Original-Verfahrens. Dazu wurde der Lötkolben erhitzt und, nach Klebeband-Fixierung der Stromfeder in Position, kurz auf den Plastikzapfen gehalten.


Nach Geruchsentwicklung schmolz das Plastik auf die Stromfeder auf, und die Fixierung hielt wieder bombenfest - hoffentlich für die nächsten 50 Jahre!
Verbesserungspotential an diesem Verfahren konnte man unter der Lupe jedoch auch erkennen - nämlich dahingehend, dass der Lötkolben fast zu lange auf dem Zapfen verweilte und das Plastik dadurch fast etwas "zu breit" ausschmolz: Ein Bruchteil einer Sekunde anstatt einer vollen Sekunde scheint also ausreichend, um das Hartplastik in die gewünschte Form zu schmelzen. Auch hier heisst es: Übung macht den Meister!

Waren nun alle Arbeiten abgeschlossen? Ein kurzer Testlauf des Motors zeigte, dass das Quietschgeräusch leider immer noch vorhanden war und vom Motor selbst zu kommen schien und dadurch nicht vom Getriebe [5].
Das machte es notwendig, den Motor auszubauen um ihn zu warten. Bei diesem Modell ist der Motor mit doppelseitigem Klebeband eingeklebt und konnte dadurch einfach herausgedrückt werden.


Nun wurden die beiden Achslager beidseitig des Motors mit (harzfreiem) Spezialöl geschmiert - und siehe da: Ein weiterer Testlauf bestätigte: Das Quietschen war nun tatsächlich weg [6]! Plötzlich schnurrte er wieder so, wie er sollte.


Damit war auch die Motorwartung abgeschlossen, und alle restlichen Komponenten konnten nun ebenfalls wieder zusammengebaut werden. Beim Aufsetzen des Gehäuses ist darauf zu achten, dass der Oberleitungs-Umschaltung wieder in die dafür vorgesehene Öffnung eingefädelt wird. Die beiden seitlichen Rastnasen sollten ebenfalls exakt in die dafür vorgesehene Gehäuseaussparung passen.


Jetzt stand einer finalen Testfahrt nichts mehr im Wege - und diese war erwartungsgemäss auch erfolgreich [7].
Unsere wunderschöne E 144.5 war nun wieder vollständig instandgesetzt und konnte sich auf viele weitere Stunden im Anlagenbetrieb oder in einer Vitrine freuen.
~HS~



Referenzen
[1] ROCO Katalog 1975 - https://www.conradantiquario.de/content/katalog/roco-katalog-1975.html
[2] Testfahrt vor Instandsetzung - https://www.dropbox.com/scl/fi/nm2r32m6vdfd2gmnzyxim/Testfahrt-E144.5-Roco-vor-Instandsetzung.mp4?rlkey=v86vb4cxebtnv6qqtin3xmhz0&st=8e1fvms3&dl=0
[3] H0-Haftreifen der Firma KaModell für ROCO-Lokomotiven - https://www.kamodel.com/dh/ho/879-haftreifen-kamodel-fur-ho-hoe-roco-lokomotiven-6stk.html
[4] Ersatzteilblatt Roco Modell 43404 - https://z21app.roco.cc/doc/ET/1/DE/43404_9011.pdf?srsltid=AfmBOor6EcLQ3Ztf2KDmBAGj1cRaFfvfbIj-i-zhqG284m0G-yKWOVgK
[5] Testlauf des Motors E 144.5 - https://www.dropbox.com/scl/fi/9j7h3u7igaitojjtenirq/Testlauf-des-Motors-E-144.5.mp4?rlkey=ww3jryo5i20jjrqrui0b8pgte&st=xewue2zo&dl=0
[6] Testlauf des Motors E 144.5 nach der Schmierung - https://www.dropbox.com/scl/fi/kb9bq6l0gu7tsjfu99avs/Testlauf-des-Motors-E-144.5-nach-Schmierung.mp4?rlkey=fyexnkojy2wmt0iwyoo6nbz14&st=tf7o5k40&dl=0
[7] Finale Testfahrt E 144.5 - https://www.dropbox.com/scl/fi/dfqdtwksza9qzfnhy40wa/Finale-Testfahrt.mp4?rlkey=f1u3vwlstufjnqhpai4hh2zha&st=yavnzity&dl=0
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